Donnerstag, 15. Januar 2015

Das glückliche Gefängnis der Millenials

Du hast bestimmt schon tausendmal das folgende Sprichwort über menschliche Anziehungskraft gehört: “Gleich und gleich gesellt sich gern.”


Deine Erfahrung sagt dir, dass das stimmt.


(Ein Gastbeitrag von Niccolò Viviani)


Und ich bin mir sicher, dass du auch das gegenteilige Sprichwort gehört hast: “Gegensätze ziehen sich an.”


Auch das belegt deine Erfahrung.


Wie ist das möglich?


Da beide Redewendungen wahr zu sein scheinen, gilt es hier einen Widerspruch aufzulösen.


Im Fall menschlicher Kompatibilität versucht Keirsey in seinem Buch “Please Understand Me II (English Edition)” aufzuklären:


“Eine Kombination aus Ähnlichkeit in Gedanken und Ausdrucksweise – konkret oder abstrakt – gepaart mit der Art man Ziele zu erreichen sucht – kooperativ oder utilitaristisch – scheint der Schlüssel zu sein, um menschliche Anziehung zu erklären.” — Please Understand Me II, S. 211


Es gibt viele dieser scheinbaren Paradoxa, bei denen zwei allgemein akzeptierte Weisheiten einander widersprechen. So wie Keirsey es mit seinen Persönlichkeits- und Charakterstudien machte, brauchen auch wir eine tiefer gehende Analyse um zu einer zufrieden stellenden Antwort zu gelangen.


Was hört man im gesellschaftlichen Diskurs über Millennials? Viele Leute sagen, dass sie “untätig, unverantwortlich, uneigenständig, faul, verwöhnt, und respektlos” sind.


Sie “wissen nicht, was leiden heißt” und “sie wollen nicht erwachsen werden.”


Gleichzeitig werden Millennials auch als Opfer angesehen: “Sie können nichts dafür. Die Wirtschaftslage, das System, ihre Eltern sind schuld.”


Wir Millennials – Opfer oder selber schuld?


Was denn jetzt? Ist unsere Generation schuldig oder sind wir Opfer?


Meine Idee des Glücklichen Gefängnis ist die Synthese, die eine Auflösung des Widerspruchs möglich macht.


gefängnis


Ich bin definitiv nicht der erste, der zu diesem Schluss kommt. Aber ich hatte heute morgen aus persönlichen Gründen diese Idee und wollte sie in meine eigenen Worte fassen.


Ich beschreibe das Glückliche Gefängnis als eine Situation, in der man glücklich aber versklavt ist. Und versklavt aber glücklich. Dein Leben ist von Wänden, Anweisungen, und den Regeln des Gefängnis’ stark eingeschränkt, dafür musst du aber keine Verantwortung übernehmen.


Du bist gegen deinen spontanen Willen und Wunsch gezwungen, einen Großteil deiner Zeit einer bestimmten Aktivität (studieren, arbeiten) zu widmen, die dir in deinem tiefsten Inneren zuwider ist.


Gleichzeitig hast du völlige Handlungsfreiheit für bestimmte, begrenzte Zeiträume (innerhalb eines gewissen geldlichen Rahmens, versteht sich).


Im Glücklichen Gefängnis hast du ein ständiges depressives Gefühl bezüglich deiner Lebensbedingungen, an die du dich aber tragischerweise gewöhnt hast.


Mehr und mehr bist du auf dieses System für das Geld angewiesen, das dir deine freie Zeit erträglich macht, welche du unterbewusst als Belohnung für deine stillschweigende Versklavung beanspruchst.


Willst du Mama und Papa glücklich machen oder willst du frei sein?


Meine Generation ist es nicht gewohnt zu leiden, fehl zu schlagen, und Unangenehmes auszuhalten.


Nicht etwa weil wir so erfolgreich sind, sondern weil wir keine echten Herausforderungen bestehen müssen. Deswegen wirken wir so faul: wir sind es nicht gewohnt uns anzustrengen und durch Schwierigkeiten durch zu beißen.


Millennials leben im Glücklichen Gefängnis ihres Elternhauses, in dem sie um ihre Freiheit und Wachstummöglichkeiten gebracht werden und gleichzeitig praktisch alles haben, was sie sich wünschen. Kein Wunder also, dass wir keine Selbstverantwortung entwickeln. Man lässt uns nicht.


Das Glückliche Gefängnis ist ein Ort, der dich ermutigt Risiken – und die Chance auf Erfolg und Misserfolg, welche Risiko mit sich bringt – zu vermeiden. Du musst keine Verantwortung übernehmen. Du bist sicher vor Ungewissheit und Zweideutigkeit.


Es ist eine Fantasie, eine falsche Welt, die dir die Möglichkeit vorenthält, sich dem echten Leben zu stellen.


Um es mit den Worten des Psychologen Eric Fromm zu sagen: es ist eine Flucht vor der Freiheit.


Im Glücklichen Gefängnis zu leben bewahrt dich davor, wachsen zu müssen, dich selbst zu erkunden, von deinen Erfahrungen zu lernen, Erfolg und Scheitern.


Es ist der Ort, an dem du verweilst aus Angst obdachlos zu werden.


“Der Biologe und Intellektuelle E. O. Wilson wurde einmal gefragt, was die größte Barriere in der Entwicklung von Kindern darstellt; seine Antwort war die “Fußballmamma”.


Von der Idee des Prokrustesbett hatte er nie gehört, beschrieb sie aber haargenau. Sein Argument ist, dass diese bestimmte Art von Mutter die natürliche Biophilie des Kindes unterdrückt, dessen Liebe zu lebendigen Dingen. Doch das Problem ist weitaus schwerwiegender; Fußballmammas arbeiten daraufhin Versuch und Irrtum, die Antifragilität von den Leben ihrer Kinder zu entfernen.


Sie halten sie vom lebendigen fern und verwandeln sie in Nerds, die nur mit vorgefertigten (Soccer-Mom-kompatiblen) Karten der Realität zurechtkommen. Gute Schüler, aber Nerds – das heißt, wie Computer nur langsamer. Ebenso wenig sind sie fähig, mit Ambivalenz umzugehen. Als ein Kind des Bürgerkrieges glaube ich nicht an strukturiertes Lernen […]


Wenn die richtige Form an akademischer Strenge präsent ist, brauchen wir Zufall, Durcheinander, Abenteuer, Ungewissheit, Selbstfindung, beinahe-traumatische Vorfälle – all die Dinge, die das Leben lebenswert machen. Kein Vergleich zum strukturierten, falschen, und ineffektiven Leben eines Empty-Suit CEO mit geplantem Tagesablauf und Wecker.”


– Nassim Nicholas Taleb, Antifragilität: Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen


(Mehr über De-Touristifikation, Optionalität, Zufall, und Antifragilität mit Bezug auf Soccer Moms und Bildung findest du hier)


Das Leben ist nicht Disneyland


Es ist also wahr: Millennials sind faul, unfähig sich durch zu beißen, ungewillt zu leiden, haben keine Lust zu arbeiten, wir planen nicht für die Zukunft und bewegen uns nicht aus unseren Komfortzonen heraus.


Aber der Hauptgrund für all das ist, dass wir in einem Zoo aufgezogen wurden.


Wir wurden in einer Blase herangezogen, fern vom echten Leben und Ungemütlichkeit, so fragilisiert, dass wir selbst bei der geringsten Unklarheit oder Herausforderung aufgeben. In diesem Sinne sind wir Opfer. Was kann man schon von uns erwarten, nach 25 Jahren (und mehr) des Lebens im Glücklichen Gefängnis?


Wenn du ein Millennial bist und feststellst, dass du in einem Glücklichen Gefängnis lebst, empfehle ich dir zu kämpfen. Verlasse dein Gefängnis so bald wie möglich, selbst wenn deine Eltern und Freunde dich für verrückt erklären – was wahrscheinlich ist.


Lass sie reden so viel sie wollen, aber folge deinem Instinkt. Lass deine Taten für dich sprechen. Sie werden dir weismachen, dass das Leben Disneyland ist, aber sie liegen falsch.


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Ein Gastbeitrag von Niccolò Viviani (aus dem Englischen übersetzt von Moritz Bierling), Präsident von Exosphere, einer offenen Gemeinschaft von Machern auf der Suche nach Menschen, die ihre Lebensziele und Träume in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter verwirklichen wollen.


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Das glückliche Gefängnis der Millenials

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